Ein Kommentar vom "Geburtshelfer" der Idee zur Grundsatzfrage für andere "'Soziales Dorf': nur Wunschdenken oder echte Chance?" - Antworten hinter einem Fragezeichen, das für Außenstehende stets präsent ist.
Nicht nur einmal wurde die Idee vom ökosozialen Landprojekt als verträumte süße Illusion abgetan. Reaktionen dieser Art kommen zwar nicht oft vor, sind aber auch keine exotischen Einzelfälle. Andere wiederum begrüßen diesen Vorstoß für eine "etwas bessere Welt in Deutschland [1]" ausdrücklich.
Man trifft bei anderen auf persönliche Meinungen über die 'neue soziale Idee', wie sie unterschiedlicher kaum sein können.
Und handelt es sich nun beim 'Dorf' nur um einen netten Traum oder um eine zukunftsweisende Idee? - Wissenswertes für die eigene Meinungsbildung von mir (Detlef Müller [2]) als Ideengeber. Was steckt dahinter, wieviel Traum und wieviel wirklichkeitsnahe Vorstellung, und wie reagieren wir als Engagierte auf Ablehnung oder realitätsgeprägte Zurückhaltung?
● [3] [4]Ansichten zu den Chancen auf Verwirklichung - Spiegelbild von Wünschen und Realitäten
Wenn man sich mit Außenstehenden über die Idee des Sozialen Dorfes [5] unterhält, stösst man immer wieder auf Erstreaktionen der folgenden Art:
Zum einen erlebt man etwas spontan sehr Bejahendes, Zustimmendes, als wollte die- bzw. derjenige sagen. "Meine Güte, ihr habt ja Recht. Das ist es!" So, als würdest du von ihrem / seinem eigenen Traum sprechen ...
Besonders deutlich wurde das bei einer Mindener Sozialarbeiterin. "Detlef [6], was glaubst du eigentlich ..?" sagte sie auf vorsichtiges Nachfragen erstaunt. "Die Hälfte aller Sozialarbeit-Studenten wünscht sich eine Arbeitsstelle bei einem sozialen Wohnprojekt auf dem Land!"
Zum anderen folgt häufig ein sehr bestimmt geäußerter Pessimismus, der jede Zustimmung sofort wieder erstarren lässt. "Ein hübscher süßer Traum, aber Träume sind eben Träume. Die Lebenswirklichkeit sieht ganz anders aus."
Die zielsichere Schlußfolgerung dieser Menschen, meist nicht offen aussprochen, aber an der Reaktion zweifelsfrei erkennbar: "Das Soziale Dorf ist eine schöne Vorstellung. Aber geben wird es das ganz sicher nicht."
[7] ● [8] Pessimistische Einschätzung aus Alltagserfahrungen
Diese Schwarzseherei ist mit Blick auf Jahrzehnte Massenarbeitslosigkeit, Armut [9] und Abbau sozialer Leistungen ohne Zweifel alles andere als unbegründet.
Zweifel an der Umsetzung der Landprojektidee [10] sind daher sehr realistisch und keinesfalls aus der Luft gegriffen.
Aber: Man muß ihnen ja nicht folgen! Denn Pessimismus gegenüber einem Vorhaben ist genauso wie das Träumen davon nur ein Blick in die Zukunft ohne Gewissheit. Weder der Schwarzmaler noch der Träumer können die Geschehnisse und Entwicklungen vorhersagen.
Drei Beispiele, wie hoffnungslose Situationen erfreuliche Wendungen nehmen können: Hat man nach Jahrzehnten vergeblicher Bemühungen im Frühling 1989 die Wiedervereinigung [11] Deutschlands vorhersehen können oder in jüngerer Zeit die spanischen Bürgerproteste [12], die als Demokratie-Bewegung positive Bürgeraktivitäten in ganz Europa initiiert haben?
Wußten etwa Atomkraftgegner noch im März 2011, dem Monat der Fukushima-Katastrophe in Japan, daß Ende Juni der bundesdeutsche Atomausstieg [13] beschlossene Sache ist?
[14]● [15] Die Initiativenaufgabe, gesellschaftlich gesehen
Die geschilderten Reaktionen auf die Dorfidee [16] weisen meiner Ansicht nach auch auf die gesellschaftlichen Kernaufgabe hin, der wir uns als Initiative stellen müssen. Klarmachen, dass Träume keine Illusionen sein müssen und zeigen, wie aus einer Vorstellung ein realistisches Landprojekt für soziale benachteiligte Menschen und gesellschaftlich Wertvolles werden kann.
Wir als Initiative haben also vor allem die Aufgabe, ein Bild vom beabsichtigten Sozialen Dorf in Minden-Lübbecke zu zeichnen, um jedem Interessierten im Detail zeigen zu können, was wir vorhaben. Und wir müssen einen Weg dorthin erarbeiten, diesen allgemeinverständlich darstellen und bei Bedarf in Einzelheiten erläutern.
[17]● [18] Soziales Dorf: Wunschtraum oder wirklichkeitsnah?
Von der Theorie zur Praxis: Was wurde bzw. wird von Ideengeber und Initiative konkret unternommen, um die Gefahr einer möglichen Nichtumsetzung des Sozialen Dorfes zu überwinden?
Mit dem Bewusstsein des sehr visionären Charakters ist schon früh daraufhin gearbeitet worden, ein solides vertrauenswürdiges Ideenfundament entstehen zu lassen. In den Projettexten, Webbeiträgen und der Kommunikation wurden die realitätsnahen Eigenschaften der Vision herausgearbeitet und erkennbar gemacht. Das "Ver-wirklichen" der Vorstellungen ist zur kontinuierlichen Daueraufgabe geworden.
So wurden Grundsätze für Projekt und Initiative entwickelt und später dann niedergeschrieben. Die Vereinbarungen wurden nach dem Muster des Agenda-Prozesses Leitbild [19] genannt. Sie sind für die Initiativenmitglieder verbindlich.
Das Leitbild kann von Außenstehenden jederzeit online nachgelesen werden.
In der Konzeptentwicklung wurde viel Wert darauf gelegt, für die Ausgestaltung des Dorfes Erfahrungswissen (von Betroffenen, Initiativen) ebenso wie Erkenntnisse aus relevanten Studien [20] und Forschungsberichten heranzuziehen.
Das gilt besonders für den Bereich Gesundheit, Gesundheitsvorsorge und die Anwendung der komplementären Medizin. Hier ist ein Höchstmaß an Sorgfalt erforderlich: Die Gesundheit ist im späteren 'Dorf' das allerwichtigste Gut.
Seit Beginn der Konzeptentwicklung wurde der Bewegungscharakter konsequent im Dorfkonzept [21] verankert. In der Folge sind viele etablierte Lösungsansätze [22] aus den Neuen Sozialen Bewegungen [23] in die Dorfidee eingeflossen. Das beginnt im großen Bereich der Ökologie und hört bei der Slow Food und Entschleunigung auf.
"Die Dorfidee ist aus der Not der Menschen und dem Geist der Sozialen Bewegungen heraus entstanden. Dieser Ursprung muß zwingend und unverändert in den späteren Planungen für den neuen sozialen Lebensraum wiederzuerkennen sein."
Auch die geplante Offenheit [24] (grundsätzlich, nicht allgemein und zu jeder Zeit) des Sozialen Dorfes - besonders für soziale Engagierte, Initiativen und Unterstützerinnen, rückt das Vorhaben ein Stück in Richtung Wirklichkeit.
Denn ein reizvolles ökosoziales Landprojekt mit eigener Landherberge, das man besuchen, erleben und wo man übernachten kann, wird sicher bei manchen Menschen die Motivation fördern, es mit ihrer Stimme in der Gesellschaft [25] zu befürworten.
● [26] [27]Echte Lösungen erarbeiten oder "Rotstifte, die nicht rot sind"
Aus dem allgemeinen Wunsch, sozial betroffenen Menschen zu helfen, entwickelte sich die Projektausrichtung Gesundheit. und Gesundheitsvorsorge. Damit bekam die Landidee zunächst eine klar erkennbare gesellschaftliche Aufgabe.
Intensives Engagement [28] in der Innenstadtentwicklung meines Wohnortes hatten mir den Blick für das verwandte Fachgebiet 'Entwicklung ländlicher Raum' geöffnet. Mit diesem Verständnis wurden Entwicklungsprobleme ländlicher Regionen wie Ärztemangel, Nahversorgung, zu geringes oder unattraktives Arbeitsplatzangebot, Weiterbildung und andere als Aufgaben für das ökosoziale "Dorfvorhaben [29]" einbezogen.
Schon frühzeitig hatte sich die Kernaufgabe des Social Farming-Vorhabens herauskristallisiert. Sie liegt im Bereich des Gesundheitswesens.
Die seelische Gesundheit von langzeiterwerbslosen und Menschen in Armut ist dauerhaft hohen Gefährdungen ausgesetzt. Depressionen [30] sind fast schon Normalfall. So wurde das Konzept für den Lebensraum 'Soziales Dorf' auf Gesundheitsvorsorge [31] und ganzheitliches Behandeln [32] von depressiven Erkrankungen ausgerichtet. Entsprechend dem ökologischen Selbtverständnis soll dabei auf herkömmliche Antidepressiva verzichtet werden. Stattdessen wird die ganze Bandbreite anerkannter natürlicher Heilverfahren [33] zum Einsatz kommen.
Angesichts des ökonomie-gesprägten Zeitgeistes war eine wichtige Beobachtung, daß selbst sehr sinnvolle Zukunftsprojekte oft genug keine Entstehungs- bzw. Überlebenschance haben. Das ist schade und ein grosser Verlust. Denn an dieser Stelle wird in Deutschland [34] Kreativität verschwendet.
Mein Fazit daraus: Das Konzept mußte Problemlösungscharakter bekommen und ganz wichtig (!), dem Gemeinwesen [35] einen erkennbaren wirtschaftlichen Mehrwert bieten. Bekommt man es hin, dass der Mehrwert den Projektaufwand übersteigt, hat man eine echte Lösung entwickelt. Der "Rotstift neuartiges Sozialprojekt" streicht dann beim Aufwand, der durch Armutsfolgen verursacht wird, nicht bei der sozialen Versorgung betroffener Menschen.
Beides wurde in der Herangehensweise seitdem besonders berücksichtigt.
[36]● [37] Der Zeit (nur) ein wenig voraus:
Disziplinübergreifende Projektentwicklung
Schon in der Zeit der Projektvision wurde klar, daß von entscheidender Bedeutung ist, über den Tellerrand der Einzelprobleme Langzeitarbeitslosigkeit und Armut zu schauen. Um zu einer echten Lösung zu kommen, war das Denken über die Grenzen der Handlungsfelder hinweg notwendig. Man nennt das bereichs- bzw. disziplinübergreifend oder interdisziplinär.
So hat erst eine konsequent bereichsübergreifende Herangehensweise 'Arbeitslosigkeit [38], Armut - Krankheit ---> hohe Kosten im Gesundheitswesen' (vereinfachte Darstellung) den Weg zu einem ökonomisch nachhaltigen, wirklichen Lösungsansatz eröffnet.
Der entstandene Ansatz eines gemeinschaftlichen, ökosozial-kulturellen Lebensraum- und Gesundheitsprojektes auf dem Land für benachteiligte Menschen eröffnet die Möglichkeit sozialer, genauso wie ökonomischer Nachhaltigkeit. Konkret bedeutet es auch: Als soziale Investition, die sich gesellschaftlich rechnet [39], kommt diese Lösung ohne Einschränkungsideen beim sozial-kulturellem Aufwand oder den Lebenshilfen für betroffene spätere BewohnerInnen aus!
Die frühe Orientierung in Richtung Social Investment und Einbeziehen des gesellschaftlichen Mehrwerts, der Sozialrendite [40] (SROI [41]), geschah aus guten Gründen. Es sollte der Grundstein für ein wirtschaftlich tragfähiges Gemeinwesenprojekt gelegt und der Weg in Richtung dauerhafter Existenz des späteren 'Sozialen Dorf' freigemacht werden.
[42]● [43] Die 'Bessere Welt'-Engagierten und #Occupy Wallstreet [44] verändern weltweit das Denken
Auch relevante gesellschaftliche Veränderungen haben Auswirkung auf die Traum oder nicht-Frage. In den letzten fünf Jahren hat es in der Tat erhebliche Mentalitätsverschiebungen in Beurteilung von arbeitslosen Menschen gegeben. Vor Jahren noch eher als Drückeberger angesehen, werden Mitbürger ohne Job mehr und mehr als Leidtragende betrachtet.
"Ein Gemeinschaftsprojekt hat eben keine Chance, solange die Mehrheit steif und fest an das Märchen von der sozialen Hängematte glaubt." An dem Punkt hat sich ganz erheblich was verändert!
Dazu kommen zwei Bewegungen, von denen eine vor nicht langer Zeit weltweit fast täglich in den Schlagzeilen der Zeitungen zu finden war.
Die #occupy wallstreet [45]-Proteste waren zwar im Winter 2011 deutlich abgeflacht, haben aber dem medialen Umgang mit dem Bankenproblem sichtlich gut getan. Inzwischen wird offener und kritischer über das ursächliche Systemproblem einer völlig entgleisten Marktwirtschaft geschrieben.
Inzwischen gibt es in der deutschsprachigen Wikipedia eine - kleine, aber immerhin - Kategorie Occupy-Bewegung [46]. Auch die Teilbewegungen Movimiento 15M in Spanien [47] und Israel [48] werden berücksichtigt.
Im tatsächlichen Leben hat die Vorstellung von einer besseren Welt, ein Vorstellung, die in den letzten Jahren immer mehr den Makel der Illusion verloren hat. Vor der Jahrtausendwende noch als unrealistische Spinner abgetan, sagen heute immer mehr [49] Menschen, daß die sie eine bessere Welt [50] wollen und treten aktiv engagiert dafür ein.
Diese Bewegung für eine bessere Welt ist keine große Bewegung, aber eine bemerkenswerte mit einer ungewöhnlich positiven Ausstrahlung.
[51]Die occupyer wie auch die bessere Welt-Aktiven haben Deutschland in den letzten Jahren verändert. Beide haben den Wandel zu einem lebenswerten Land für alle ein Stückchen wahrscheinlicher werden lassen.
Positiver Effekt: Auch diese äußeren Veränderungen jenseits unseres eigenen "Dorfengagements" helfen mit, die Neue Soziale Idee [52] Tag für Tag ein kleinwenig mehr aus der Traum(ata)-Welt herauszulösen - danke.
● [53] Möglich ist alles
Wo für die Initiative die Grenzen der Überzeugungsarbeit erreicht sind, könn(t)en in dieser bewegten Zeit durchaus die tagesaktuellen Proteste entscheidende Impulse mit sich bringen.
Weshalb auch nicht ..? Das krankmachende Leben nach Einführung von Hartz IV [54] hat bei mir die Vision des 'Sozialen Dorfes im Mühlenkreis' entstehen lassen. Vielleicht werden es ja die #occupy-Ausläufer sein, die in nicht ferner Zeit den ersten Stein bewegen - zum Baubeginn wohlgemerkt, nicht auf Straßenschlachten.
Möglich ist alles.
Autor: Detlef Müller [55] (Initiative 'Soziales Dorf')
Anmerkungen:
(1) Ich habe mich bemüht, diesen Beitrag so wahrheitsgetreu und angemessen wie möglich zu schreiben, ohne zu übertreiben oder zu unserem Nachteil Wesentliches wegzulassen.
Das war mir wichtig, denn schließlich wird der eine oder andere nach dieser Darstellung entscheiden, ob er dem beabsichtigten 'Sozialen Dorf' im norddeutschen Raum Vertrauen schenkt oder nicht.
(2) Dieser Kommentar wird ggf. aktualisiert, wenn Wissenswertes zu dem "ultimativen Fragezeichen" von mir übersehen wurde - nobody is perfect.
Die Bemühungen um Schaffung von glaubhafter Vertrauenswürdigkeit der Grossprojektidee sind seit Jahren ein umfassender Vorgang mit vielen Einzelüberlegungen.
Daraus das Wesentliche für einen noch lesbaren online-Beitrag herauszufiltern, war verdammt nicht einfach!
(3) April 2012 - Inzwischen ist ein grundsätzlicher Schritt nach vorn gemacht worden. Bundesagentur für Arbeit und die gesetzlichen Krankenkassen haben eine bundesweite Gemeinschaftsinitiative für Prävention mit Erwerbslosen vereinbart. - Pressemeldung [56]
(update1 26. Januar 2012) Absatz 'Disziplinübergreifende Projektentwicklung' und Unterabsatz 'Erfahrungenwissen, Studien' hinzugefügt, einige Formulierungen geändert.
(update2 3. August 2012) Formulierungsänderungen, Absatz 'Echte Lösungen' erweitert, kleinere Ergänzungen.
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